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Alternativlos

Der fulminante CSU-Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Union die Möglichkeiten für nächsten Sonntag abhandenkommen.
 
Zum erneuten Auftrumpfen der Christsozialen bei den gestrigen Landtagswahlen haben neben ihrer landsmannschaftlichen Verwurzelung und der überlegenen Vorreiterrolle Bayerns vor allen anderen Bundesländern sowie dem kraftvollen Auftreten des Parteivorsitzenden Horst Seehofer vor allem auch der Charakter der CSU als Volkspartei beigetragen.

Nahezu jeder zweite bayerische Wähler hat für die Christsozialen votiert – und dies von den Erst- und Jung- bis zu den Seniorenwählern. Das Politikkonzept der CSU deckt alle relevanten Entscheidungsfelder ab und erscheint trotz des auch bei den Christsozialen beheimateten Meinungspluralismus unverwechselbar und zugleich volksnah. Der Partei scheint – nach dem Wahldesaster von 2008 – wieder der Spagat zwischen einer Politik für den kleinen Mann in den Städten und der Bevölkerung auf dem Land mit einer klar konturierten bürgerlichen Ausrichtung zu gelingen. Dabei ist die Familienpolitik geradezu zu einem Markenzeichen der CSU geworden, die sich wie keine andere relevante politische Kraft in Deutschland hier auch ganz bewusst als Hüterin der christlich-abendländischen Tradition versteht.

Kein Wunder, dass die AfD nicht angetreten ist

Kein Wunder, dass die „Alternative für Deutschland“ (AfD) nicht im Bayernland angetreten ist. Die CSU verstand es meisterhaft, sich als wenig euroromantisch und in Bezug aufs Sparen sogar schwäbischer als die von Kanzlerin Angela Merkel in dortigen Gefilden verortete Hausfrau zu inszenieren. Doch in Restdeutschland beginnt der Weizen für die AfD zu blühen. Schon prognostizieren die meisten Meinungsforschungsinstitute den Euroskeptikern einen Stimmenanteil von mindestens 4 Prozent bei den Bundestagswahlen am kommenden Sonntag. Noch wird die AfD totgeschwiegen, doch unter der Decke brodelt es in den Berliner Parteizentralen. Sogar ein Einzug der AfD in den Bundestag wird für möglich gehalten.

Besonders die CDU spürt die Unlust und das Unbehagen vieler Stammwähler aus ihrem bürgerlichen Kernmilieu, vorwiegend mit vorgestanzten Statements und schwammig-pauschalen Aussagen, die wenig Konkretes beinhalten, zu einer angeblich alternativlosen bürgerlichen Wahlentscheidung gedrängt zu werden. Die so denken, sind Fleisch vom Fleisch und Gebein vom Gebein der CDU und fühlen sich geistig unterfordert; verstimmt sinnen sie über Wahlalternativen nach. Dieser Teil einer bürgerlich-intellektuellen Elite vermisst vor allem eine ordnungs- und gesellschaftspolitisch klare Linie, fürchtet eine weiter voranschreitende Sozialdemokratisierung der Partei und ein von der Führung beabsichtigtes Hindriften zu einer großen Koalition mit der SPD.

Die europapolitischen Bekundungen von Parteichefin Merkel und die fiskalpolitischen Auskünfte von Finanzminister Wolfgang Schäuble verdecken in ihren Augen nur mühsam, dass nach der Wahl der Vorhang geliftet und dann einige der befürchteten Maßnahmen zur Rettung der Euro-schwächelnden Südländer ergriffen werden müssen, die Mehrbelastungen für alle Steuerbürger mit sich bringen.

Die FDP braucht Leihstimmen

Viele von diesen der CDU nahestehenden Wählern haben bereits bei der Bundestagswahl 2009 der FDP ihre Zweitstimmen gegeben in der Hoffnung, die Liberalen würden wenigstens eine Lichtung des Steuer- und Abgabendschungels und der Belastung des Mittelstandes mit immer neuen Transferleistungen auf den Weg bringen. Einen Teil dieser Leih- und Beutestimmen aus dem Unionslager benötigt die FDP aber dringend, um auch diesmal wieder über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Doch das Vertrauen der Wechselwähler von 2009 ist enttäuscht worden.

Die Liberalen erscheinen in einer heillosen Klientelpolitik verzettelt und weit davon entfernt, mit dem derzeit vorhandenen Personal eine perspektivische Ordnungspolitik gestalten zu können. Als Verhinderer von weiterer Steuerbelastung und Schuldenaufnahme der öffentlichen Haushalte erscheinen sie als zu wenig durchsetzungsfähig und auch zu machtverfangen.

Die dritte im intellektuellen Bürgerspektrum angesiedelte Partei, deren Klientel zu einem nicht geringen Teil auch aus öffentlich Bediensteten sowie Nutznießern der Erbengeneration bestehen soll, hat sich selbst gewaltig in die Füße geschossen. Mit fulminantem Übermut hatten sich die Grünen nach dem grandiosen Wahlsieg im März 2011 in Baden-Württemberg schon als neue bürgerliche Volkspartei gefühlt. In einem voluminösen 200-Seiten Politprogramm riefen sie den Staat als Garanten eines „guten Lebens“ für alle aus und versprachen allen Zukurzgekommenen umfassende soziale Wohltaten zu einem von den Reicheren zu entrichtenden Staatstarif.

Die Gegenfinanzierung sieht dann allerdings so aus, dass bei einer grünen Regierungsbeteiligung das Ehegattensplitting aufgehoben und eine Höchstbesteuerung von 49 Prozent bereits für Einkommen ab 60.000 Euro gelten soll. Nun befindet sich die grau gewordene jakobinische Elite der Grünen im Sinkflug und es droht eine Bruchlandung bei den Wahlen am kommenden Sonntag. Mit ihrem ökosozialen Messianismus hat die Partei mit ihr liebäugelnde Bürger gewaltig verschreckt. Nun sucht man auf den letzten Metern noch Land mit der Panikmache zu gewinnen, eine neue schwarz-gelbe Koalition wolle eine Energiewende zurück zum Atomstrom und der „dreckigen Kohle“ herbeiführen.

Die SPD taugt nicht als Alternative

Als Alternative zu Schwarz, Gelb oder Grün taugt die SPD aus der Sicht vergrätzter Bürgerlicher aber kaum. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück analysiert zwar messerscharf und ehrlich, dass man mit einer zu rigiden Finanz- und Haushaltspolitik die Südländer in der Euro-Zone weiter kaputtspare und dort noch mehr Arbeitslosigkeit produziere. Seine Argumente sind der zugunsten Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelegte Marshallplan, der wieder für Wachstum und Wohlstand hierzulande gesorgt habe, sowie die Bereitschaft der von Deutschland unter den Nazis geknechteten europäischen Völkerfamilie, den Deutschen wieder die Hand zur Versöhnung zu reichen.

Außerdem sei man mit dem Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB längst eine Schulden- und Haftungsunion eingegangen, aus der es kein Zurück mehr gebe. Doch gefragt nach sinnvollen Investitionen beispielsweise in Griechenland, um die dortige Wirtschaft auch auf den globalen Märkten wieder wettbewerbsfähig zu machen, antwortet der Kandidat zum Entsetzen der Fachleute, dass man ja in den Tourismus investieren und auch die maritime Lage Griechenlands besser nutzen könne. Selten ist vollkommene ökonomische Ratlosigkeit krasser offenbart worden.

Während Teile des selbstbewussten Bürgertums sich von Schwarz-Gelb geistig unterfordert und nicht hinreichend ernst genommen fühlen, sehen sich von grünen Weltverbesserungsidealen angezogene bürgerliche Intellektuelle vom rot-grünen Lager materiell überfordert. Aufrufe zur Wahlenthaltung korrespondieren mit der Suche nach Alternativen. Sollte die AfD am Sonntag den Sprung in den Bundestag schaffen, läuft aber wohl alles auf das hinaus, was der Mehrheit der Wähler am sichersten und Kanzlerin Angela Merkel vielleicht auch am einfachsten zu managen scheint: eine Große Koalition.

von Richard Schütze
16.09.2013
   
 
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