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Presse / Publikationen / 2013_2014 /  

Spannend sollte es werden, das TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück. Doch obwohl die Moderatoren zu provozieren versuchten, klangen Kanzlerin und Herausforderer erstaunlich versöhnlich.
 
Das Quartett war wild entschlossen: In das TV-Kanzlerduell sollte gleich vom Start weg richtig Würze rein. Die beiden Frontfrauen der Öffentlich-Rechtlichen, Polittalkerin Anne Will für die ARD und Maybrit Illner als Gallionsfigur des ZDF, versuchten schon zu Beginn ordentlich zu zündeln. Da wollten Peter Klöppel, der News-Anchorman von RTL, und Deutschlands spritzigster Entertainer, das von ProSieben auf Anregung von Bayerns ehemaligem Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ins Rennen geschickte Multitalent Stefan Raab, nicht nachstehen. Intuitiv griffen die Journalisten zu dem ihnen am probatesten erscheinenden Mittel: Der Form der geschlossenen und in sich verneinenden Frage, aufgetunt mit einer unterstellenden Behauptung, die provozieren und polarisieren sollte.

SPD-Herausforderer Peer Steinbrück bekam, ebenso wie kurz darauf auch Kanzlerin Angela Merkel, direkt zum Aufgalopp die volle Dosis verabreicht. Wenn alles so schief laufe in Deutschland, stichelte Illner in Anspielung auf die mauen Umfragewerte des SPD-Spitzenkandidaten, „warum sind Sie nicht von einer Welle getragen?“ Raab suchte Merkel gar auf’s Glatteis einer ihr unterstellten Sozialdemokratisierung der CDU und des von ihr angeblichen geprägten konturenlosen präsidialen Allparteienkonsenses zu führen: Ob sie sich bei einer ehrlichen Beantwortung des Fragenkatalogs des Wahl-O-Mats sicher sei, dass für ihre persönliche Wahlentscheidung tatsächlich als Ergebnis CDU und nicht doch SPD herauskomme? Fast hämisch schloss Klöppel an Merkel gewandt die Frage an: „Tut Ihnen Steinbrück nicht leid?“

Gnadenlos langatmige Sentenzen

Die Reaktion der gewieften Politiker war vorhersehbar. Routiniert ließen sie die Fragen der aufgeregten Vier an sich abprallen und nutzten die sich ihnen bietende Chance, in langen Ausführungen vorbereitete und auf den Marktplätzen im Land erprobte Statements abzuspulen. Während die Kanzlerin bemüht war, dem Herausforderer mit langatmigen Ausführungen die Luft abzulassen und das Tempo herauszunehmen, suchte Steinbrück sein Heil in attackierenden Fragen, deren hypothetische und zu seinen Gunsten ausfallende Beantwortung jeweils schon auf der Hand lag. Merkel konterte mit Merksprüchen von der Sorte „der Euro sichert Deutschlands Wohlstand und Arbeitsplätze“ und „wir werden alles tun, was Arbeitsplätze erhält und nichts tun, was Arbeitsplätze gefährdet.“ Auch Steinbrück fiel zum Thema Mindestlohn gleich ein Motto ein: „Sozial ist, was gute Arbeit schafft und anständig entlohnt wird.“

Entnervt konstatierte Anne Will: „Wir hören längere Einlassungen von Ihnen, die nicht zwingend auf unsere Fragen passen.“ Damit hatte sich die fortan noch schärfer agierende ARD-Moderatorin regelrecht auf die Duellanten eingeschossen. Denn rasch hatte Angela Merkel mit längeren Ausführungen zu den Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ihrer Politik den eigenen Redeanteil zu Lasten von Steinbrück ausgebaut und rund fünf Minuten Vorsprung auf den Herausforderer herausgeholt. Die Kanzlerin setzte sich phonetisch gar mehrfach gegen die Moderatoren durch, ließ deren Fragen links liegen und zog mit gehobener Stimme ihre zum Teil langatmigen Sentenzen gnadenlos durch.

Dem wollte Anne Will unbedingt Einhalt gebieten und mutierte zu einer die rhetorischen Leistungen der Kombattanten streng bewertenden Lehrerin. Will hantierte, anstatt Fragen zu stellen, mit wertenden Beschreibungen: „Angela Merkel malt die Dinge verständlicherweise rosig.“ Maybrit Illner vom ZDF setzte nach und attestierte der Kanzlerin gar, sie habe bei der Energie- und Atomwende „im Affekt regiert“. Peter Klöppel, sich verlegen mit seinen eigenen Armen selbst intensiv umarmend und sich Schutz suchend in vermeintlicher Sicherheit wiegend, wollte seiner ARD-Kollegin nicht nachstehen und benotete Merkels Eurostatements indirekt: „Herr Steinbrück, sind Sie offener und ehrlicher betreffend den Euro?“ Flugs suchte Anne Will ihren journalistischen Mitstreiter wieder zu toppen und Steinbrück weiter zu foppen: „Und ein Kanzler Steinbrück hätte das viel toller gemacht?“

Will wollte nun das journalistische Führungsmanagement übernehmen und verlegte sich darauf, die Kandidaten einem strengen Verhör zu unterziehen. Mit prägnanten und knappen Interventionen trieb sie Steinbrück beim Thema Renten und Pensionen in eine Falle. Als Will wissen wollte, in welcher Form die Altersversorgung von Rentnern und Pensionären so angeglichen und die Pensionen so begrenzt werden sollten, dass deren Erhöhung im Verhältnis zur Steigerung der Renten nicht „überproportional“ ausfalle und was genau „überproportional“ in diesem Zusammenhang bedeute, gab Steinbrück entnervt auf: „Das können Sie jetzt nicht aus mir herauskitzeln“. Sofort setzte die Kanzlerin zum Uppercut an und forderte Polizisten, Soldaten, Justizvollzugsbeamte und Feuerwehrmänner auf, sich bei der SPD zu erkundigen, inwieweit ihre Pensionen beschnitten werden sollte.

Großkoalitionärer geht es kaum

Als bei Halbzeit das von der sogleich wieder aufkeimenden Merkel’schen Unlust an Streit und Konfrontation und der Steinbrück‘schen Beißhemmung bestimmte und mit Bonmots des Herausforderers von der Art wie „das war ein Ausflug in meine Westernfilmerfahrung“ garnierte Streitgespräch zum launigen Geplauder zu verkommen drohte, schlug die Stunde von Stefan Raab. Der Amateur-Journalist rettete mit unkonventioneller Methodik die Situation.

Ohne Krawatte, mit offenem Hemdkragen und der linken Hand in der Hosentasche die Etikette missachtend, durchbrach der Entertainer Politphraseologien wie Merkels Sentenz „ich kann unser Regierungsprogramm nur noch mal zur Lektüre empfehlen – dort steht schwarz auf weiß geschrieben“ und ging auch mit dem Kanzlerkandidaten in den Clinch. Beim Disput um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre frotzelte Raab in Richtung Steinbrück: „Sie sind 66, Sie wollen auch noch ein bisschen arbeiten.“ Hatte Merkel beim Thema NSA deutlich geschwächelt und sich zuweilen gequält wirkende Erklärungen abgerungen, lockte Raab auch Steinbrück wieder aus der Reserve. Ob Merkel nun, wie Steinbrück im Wahlkampf behauptet hatte, tatsächlich ihren Amtseid verletzt habe, wollte Raab wissen. Steinbrück replizierte gekünstelt und staatsmännisch ausweichend: „Frau Merkel hat ihren Amtseid wahrzunehmen.“ Da war er wieder, der Sack voll Kreide, den Peer Steinbrück aus Furcht vor Fettnäpfchen immer wieder inhalieren muss.

Richtig rund ging es dann, als Raab Steinbrück massiv anging, er solle sich klar auch für eine Beteiligung in einem Kabinett mit Frau Merkel aussprechen, damit die SPD für ihn überhaupt wählbar werde. Steinbrück zeigte bei diesem Infight Wirkung und es entfuhr ihm: „Jetzt wird es interessant!“

Da aber war das Duell fast schon gelaufen und die Kanzlerin nutzte Ihre Chance, das letzte Wort zu haben mit einem versöhnlichen „und jetzt wünsche ich Ihnen einen schönen Abend“. Großkoalitionärer ging es am Ende kaum noch.

von Richard Schütze
02.09.2013
   
 
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