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Presse / Publikationen / 2013_2014 /  

Das falsche Geschlechterbild

Richard Schütze ist Jurist, er ist Medien- und Politikberater und berät als Geschäftsführer der Berliner Unternehmensberatung „Richard Schütze Consult“ Unternehmen, Verbände und Politiker.
 
-    Herr Schütze, wir haben es im deutschen Fernsehen zunehmend mit überproportional präsenten Patchwork-Familien und Homo-Partnerschaften zu tun. Was stört Sie eigentlich am meisten an dem Bild, das hier vermittelt wird?

Besonders im Fernsehen wird die Realität der Familien in Deutschland häufig auf den Kopf gestellt. Regenbogenfamilien mit zwei Vätern oder mit zwei Müttern und einem oder mehreren Kindern zum Beispiel sind öfters Anlass für eine herausgehobene Berichterstattung. Tatsächlich leben aber nur rund 7.000 Minderjährige in solchen Konstellationen. Dem stehen 8 Millionen Ehepaare mit Kindern und 2,5 Millionen Alleinerziehende gegenüber. Drei Viertel der Kinder wachsen mit ihren leiblichen Eltern auf. Kurz gesagt wird ein Ausnahmephänomen einfach und ohne Begründung zur allgemeinen Regel erhoben. Es wird eine nicht vorhandene Realität suggeriert, die so nicht existiert. Natürlich kann ich im Journalismus auch vorwiegend von Ausschnitten aus der normalen Realität berichten. Das muss dann aber auch erkennbar sein. Alles andere ist unseriös, tendenziös und falsch.

-    Die Zuschauer scheint die Realitätsferne eines solchen Familienbildes nicht zu stören. Ein anderes Beispiel: Mittlerweile dominieren Frauen ja schon häufig in Fernseh-Krimis – entgegen aller Realität im deutschen Polizeialltag. Immer häufiger erleben wir auf dem Bildschirm „toughe“ Kommissarinnen, die ihre Fälle nicht nur intelligenter als ihre männlichen Kollegen lösen, sondern als zerbrechliche Ermittlerinnen brutale Schwerverbrecher im Zweikampf zur Strecke bringen.

Das, was neu ist und nicht mit der alltäglich erlebten Realität übereinstimmt, erregt Aufsehen und erscheint mitunter besonders attraktiv. Die fiktionale Welt der Medien stellt die Welt der Fakten buchstäblich in den Schatten. Powerfrauen, die gut bemuskelt und zugleich wunderschön und multitaskingfähig sind und sich nur zuweilen genervt und überfordert zeigen, entsprechen dem Ideal einer idealisierten Überfrau, die Professorin Marilyn Romy Schiffer-Bond heißen könnte, aber genau wie Superman Gott sei Dank immer ein Märchenwesen bleibt.

-    Gibt es Untersuchungen, die sich wissenschaftlich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt haben?

Leider gibt es nur wenige Studien zu den Familienbildern in den Medien. Das Adolf-Grimme-Institut aber hat im Jahr 2005 eine bemerkenswerte Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend vorgelegt, die merkwürdige Klischees aufdeckt und zeigt, dass die Darstellung einer normalen Familiensituation ohne Dramatisierung oder Romantisierung in den elektronischen Medien kaum stattfindet. Eine neue Studie könnte diese Erkenntnisse noch einmal überprüfen.

-    Man sträubt sich gegen ein – wie es heißt – „verstaubtes“ Frauen- und Mütterbild. Was ist daran eigentlich „verstaubt“, wenn man Frauen in Familien zeigte, die sich als Mütter um ihre Kinder kümmern, wie es ja heutzutage noch bei einem großen Teil der weiblichen Bevölkerung der Fall ist?

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig. Besonders junge Frauen wollen die Welt zunehmend auch auf der beruflichen Ebene mitgestalten. Zugleich wollen Männer wie Frauen nicht mehr Karriere um jeden Preis machen. Genug Zeit für den Partner und die Familie, vor allem auch für Kinder zu haben, hat einen immer höheren Stellenwert. Das ist doch zunächst einmal erfreulich! Hatten die Medien in den 50er und auch noch in den 60er Jahren mit Werbesprüchen wie „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen“ die Frauen allzu gern als gute Hausfrauen und eifrig-besorgte Mütter porträtiert, so schlägt diese damalige Bevormundung nun in das Gegenteil um: Die Frau von heute soll möglichst ganz der Rolle der „Drei-Wetter-Taft“-Fee entsprechend im eleganten Schweinsgalopp vom Business-Meeting zur Vorstandssitzung unterwegs sein und zwischendurch Haushalt und Kinder per Handy managen. Ein kreischendes Kind, das Spinat spuckend das Chanel-Kostüm der Managermama besudelt und partout nicht morgens vor dem Frühflieger eilfertig an der Kitapforte professionellem Personal übergeben werden mag oder gar die Tagesplanung mit einem Fieberschub komplett aushebelt und die Mama als weibliche Führungskraft verzweifeln lässt, passt auch wieder nicht in die vorgestanzte moderne Medienwelt. Was fehlt, ist eine unterhaltsame und intelligente Darstellung der Wirklichkeit, sowohl in den Reportagen und Dokumentationen als auch in Krimis, Serien und in der Werbung.

-    Und wie werden Männer im Fernsehen dargestellt?

In der fiktionalen Welt der Krimis gibt es leider viele Klischees. Die männlichen Protagonisten führen häufig ein großstädtisches Single-Leben und agieren in der klassischen Rolle des einsam verwahrlosten und knuffig-kauzigen, aber beziehungs- und bindungsunfähigen Wolfes. Weitgehend ohne Erziehungs- und Sozialkompetenz schaut ihre Behausung mehr wie eine verwahrloste Höhle denn ein bewohnbares Nest aus. Kleinkinder kommen mit den Helden dieser Epen fast nie in Berührung. Töchter im vorpubertären Alter übernehmen die Erziehungsarbeit mit ihren raunzigen Vätern und ersetzen mitunter die längst allen berechtigten Tadel aufgegeben habende Ex-Frau. Dreiviertel aller Protagonisten in den Krimis sind nach der Grimme-Studie sogar ganz kinderlos. In den Softserien kommen gutaussehende und elegant wirkende Männer auch in der klassischen Rolle des einfühlsamen Romantikers vor, beispielsweise in menschen- oder tierbezogenen Berufen als Ärzte oder Förster. Zuweilen, aber eher selten auch als verständnisvolle oder pfiffig agierende und lebensklug ermittelnde Geistliche, soweit diesen nicht die Rolle des uneinsichtigen Deppen und lebensfremden Prinzipienreiters zugewiesen wird. Wenn die Werbung aber tatsächlich ein Trendsetter ist, so gibt es Hoffnung: Renault hat gerade erst Werbefilme geschaltet, in denen ein Vater sich liebevoll kümmernd seine Kinder bespaßt und zum Dank anerkennend aus Kindermund ertönt: „Mein Papa ist ein Held!“

-    Wer oder was steckt hinter der Propagierung eines derart wirklichkeitsfremden Familien-, Frauen- und Männerbildes?

Zunächst scheint es die Sorge vieler Medienschaffender zu sein, auf keinen Fall noch einmal ein in ihren Augen antiquiertes Frauenbild zu propagieren. Gern will man die Speerspitze des gesellschaftlichen Fortschritts sein, eine Bewusstseinsveränderung mit beeinflussen und der Political Correctness entsprechen. Außerdem sollen nach Studien 70 Prozent der Medienschaffenden allein erziehend, getrennt lebend oder geschieden oder ganz kinderlos sein; auch das mag eine Rolle spielen.

-    Muss man das hinnehmen oder könnte man als Zuschauer dem entgegenwirken?

Studien zeigen, dass sich junge Menschen nach einer verlässlichen und dauerhaften Paarbeziehung mit Kindern sehnen und darin allen propagierten Bindungs- und Zukunftsängsten sowie ökonomischen Ungewissheiten zum Trotz einen erfüllenden Lebenstraum sehen. Leserbriefe und vor allem auch Wortmeldungen im Internet auf Debattenplattformen, in Chats und in den Social Media-Foren sind probate und wirksame Möglichkeiten, Medienmacher und Medienschaffende immer wieder mit der eigenen Wahrnehmung der normalen Realität zu konfrontieren. Wer mag, der kann auch alternative Geschichten und Plots erfinden und selbst die Welt der Medien mitgestalten


von Katrin Krips-Schmidt
20.8.2013
   
 
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